Leukämie ist Scheiße! Teil 43

Die beste Sissi von allen hatte einen Wunsch – sie wollte den Muttertag, heuer der 14. Mai, von der gesamten Mischpoche unbehelligt in aller Ruhe verbringen. In der jüngeren Vergangenheit war sie Telefonzentrale, SMS-, WhatsApp- und Mail-Schaltstelle gewesen, aber auch zahlreiche persönliche Kontakte innerhalb der Familie hatten stattgefunden. Dazu noch ein Haushalt mit all seinen Facetten, ein Schippel Arbeit im Garten, die Organisation der BLUESimon Konzerte, die Pflege von Homepage und Facebook – es reichte ihr erst einmal. Der Gedanke, in ein überfülltes Restaurant ausgeführt zu werden, lief ihr kalt den Buckel hinunter; der Gedanke, die Familie zu bekochen und womöglich hint und vorn zu servicieren, machte ihr schaudern und kam auch nicht in Frage.

In Wirklichkeit war die jüngere Vergangenheit ähnlich wie die ältere verlaufen, die Anzahl ihrer Kontakte war aus meiner Sicht nicht oder nur wenig gewachsen, aber – es hatte sich einiges aufgestaut, etliche Verpflichtungen familiärere Natur waren dazu gekommen… steter Tropfen höhlt bekanntlich die Leber.
Brav waren sie, die Kinder, erst dem Abend zu erschienen sie zu einem Kurzbesuch; als Geschenk hatten sie Norbert-Opa bespaßt – heißt zum Spazierengehen im Prater abgeholt und hinterher ins Schweizerhaus eingeladen. Der ruhige Muttertag war Realität geworden, der Wunsch erfüllt!

Zwei Tage zuvor hatte Regina den ersten Aufnahmetest zum Masterstudium hinter sich gebracht.
Am Samstag waren wir im Volkstheater bei Molieres „Menschenfeind“. An dieser Stelle muss ich nun gestehen, dass ich Moliere mit Raimund verwechselt und vorher versehentlich angenommen habe, „Alpenkönig und Menschenfeind“ zu sehen – macht nix, es war eine brillant gespielte Aufführung mit zeitgenössischem Bühnenbild und exzellenten Schauspielern. In diesem doch sehr alten Theaterstück begegnet man laufend Wahrheiten, die auch heute noch Gültigkeit haben. Leider wurde zum Teil auf der Bühne recht leise gesprochen und ich musste mich an den englischen Untertiteln orientieren, die oberhalb der Bühne zu sehen waren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ich Hörgeräte brauchen werde.

Am Montag nach dem Muttertag war die Sopherl, die so wie die Eismänner zuvor ganz passables Wetter brachte, zwar windig, aber ohne Regen. Sissi war ein bissl besorgt und aufgeregt gewesen, weil für den darauf folgenden Mittwoch Enkelin Mona zum ersten Mal ein paar Stunden lang zu beaufsichtigen war – und dies ist bei Schönwetter um einiges einfacher! Die Karenzzeit ihres Vaters Norbert ist ja vorbei, und ihre Mutter Petra hat immer Mittwoch ein Seminar an der Universität zu besuchen. Der Mittwoch kam, Petra kam samt ihrer Tochter, das Wetter passte, fast heiß war es. Monas Interesse konzentrierte sich gleich einmal auf Wasser, Fische füttern und Gießkanne – alles war ihr zu trocken und musste bewässert werden, auch die Sandkiste….

Bald aber entdeckte sie den an der Haustür hängenden Schlüsselbund – ihr zweites Faible. Die in Monas idealer Höhe befindliche Garteneingangstüre war, von Petra zugehalten, scheinbar versperrt, musste also dringend aufgesperrt werden. Trotz  Einsatz aller auf dem Bund befindlicher Schlüssel musste sie scheitern, die Türe blieb verschlossen. Glücklicher Weise konnten wir bald ihr Interesse an der Sandkiste wecken, der angefeuchtete Sand ließ sich mühelos in die bereiten Kübelchen schaufeln und wieder ausleeren – Beschäftigung für ein paar Minuten war gefunden. Petra konnte unbemerkt von dannen schleichen, ihr Fehlen wurde vorerst nicht einmal bemerkt.

Zu unserer Überraschung verweigerte Mona anschließend die Schaukel, mit der sie zuletzt viel Spaß gehabt hatte; macht nix, ein bisserl jausnen, Obst, Käse mit Brot, Wasser aus ihrem eigenen Häferl, alles bringt Zeit, alles kann unterhalten. Bald nach der nächsten Attraktionen – Seifenblasen mit Einfangen der Kugeln – kam auch schon Papa Norbert und wurde stürmisch begrüßt. Der Nachmittag war im Fluge vorbeigegangen, alles war gut gelaufen… und wir freuen uns auf das nächste Mal!!!

Am folgenden Donnerstag, 18. Mai gab es in Norbert-Opas Wohnung zwei wichtige Termine. Schon kurz nach neun kam eine Mitarbeiterin von „Soziales Wien“ wegen eines Senioren-Appartements im Haus Prater, den Sissi beantragt hatte. Norbert-Opa war äußerst beunruhigt, lief umher wie ein gereizter Löwe und wurde nicht müde, uns wissen zu lassen, dass er in keinem Fall bereit sei, in eine Wohnung im Haus Prater oder sonst wohin zu übersiedeln; eine Pflegerin in der Wohnung würde er auch nicht akzeptieren und gleich hinauswerfen. Wie es Alzheimerkranken eigen ist, war er keinem wie immer gearteten Argument zugänglich. Bald hatte  die Sozialarbeitern alle benötigten Unterlagen und Fakten beisammen und verabschiedete sich; die Entscheidung werde bald fallen und Sissi telefonisch verständigt werden.

Obwohl es noch früh am Tag war, beschränkten wir uns auf einen kurzen Spaziergang und gingen hinterher Essen ins Jägerhaus. Ab 15h00 war ja der zweite Termin des Tages angesetzt, nämlich der Besuch einer von der PVA beauftragten Ärztin. Sissi hatte die Ablehnung der Erhöhung der Pflegestufe für ihren Vater beeinsprucht, den zuständigen Ombudsmann verständigt und gegebenenfalls Klage in Aussicht gestellt, worauf die PVA eine Überprüfung der Richtigkeit ihrer Entscheidung durch ein zweites Attest angeordnet hatte. Geduldig warteten wir schon vor der vereinbarten Zeit, als die Ärztin um fünf Uhr ihren Besuch an diesem Tag wegen eines familiären Notfalls telefonisch absagte und auf den folgenden Freitag verlegte. Für familiäre Notfälle hat die Familie Simon selbstverständlich jedes Verständnis! 😉 

Auf der darauffolgenden Fahrt in unseren Garten erreicht uns ein erfreulicher Anruf: es ist Erik der uns mitteilt, dass er einen „guten Vierer“ auf seine Mathe-Matura geschafft hat… ein versöhnliches Ende des an sich furchtbaren Tages!    

 

 

 

2 Kommentare

  1. Haus Prater, hat Wohneinheiten in den Garten, auf die Straße und in den Ladehof. Die Wohnungen in den Ladehof sind meiner Meinung nach schrecklich. Zu- und abfahren von LKW ’s und das schon ziemlich früh, Gestank und natürlich Lärm und finster sind sie auch. Die schönsten Wohnungen gehen in den Garten. Alles Gute Babsi

  2. OH… danke liebe Babsi, das werde ich bei der ersten Besichtigung natürlich genau anschauen… September oder Oktober wahrscheinlich… Bussi, Sissi

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