Leukämie ist Scheiße! Teil 12

Situationsbericht, fast aktuell

Es ist die beste Sissi von allen die mich ermuntert, doch wieder einmal  über den Fortgang der Krankenhausaufenthalte zu berichten; ein paar Freunde hätten danach gefragt und wollen wieder einmal was lesen.

Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, gibt die tägliche Spitalsroutine nicht wirklich viel her, die Vorgänge sind reguliert und wiederholen sich. Die Behandlungen vertrage ich unterschiedlich gut oder schlecht, ein paar Mal bekomme ich Fieber und verschlafe ganze Tage; zum Glück bisher immer als Folge der Infusionen und nicht infektionsbedingt.

Alles in allem stehe ich nicht an zu bekennen, dass meine Duldsamkeit enden wollend ist; nach und nach drohe ich griesgrämig, mieselsüchtig, fast schon depressiv zu werden. Immerhin ist schon bald der Mai zu Ende (gerade heute ist die Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten) und bald sind fünf Monate AKH Geschichte; zur Zeit bin ich nach zwei Tagen Unterbrechung wieder eingerückt und habe den vierten Durchgang der Chemotherapie hinter mich zu bringen, wofür ich erfahrungsgemäß wieder etwa zwei Wochen brauchen werde.

Es sind die Kurzunterbrechungen und Heimaturlaube, die mich immer wieder aufbauen. Der fast schon obligate Praterspaziergang vor drei Tagen mit unseren Hundsis bei noch dazu gutem Wetter macht Freude und weckt die Lebensgeister. Wieder präsentiert sich der Auwald in neuem Gesicht, manche Bäume und Sträucher haben Bärte bekommen, die an die Swamps im Süden der USA erinnern. Der Bärlauch ist schon abgeblüht, die Biber haben sich wieder bei einigen Bäumen wichtig gemacht, die Wasserstellen sind gut gefüllt, die Emma kann nach Herzenslust Enten verbellen, während sich Jago vor lauter Respekt vor dem Nass in nobler Zurückhaltung übt und Abstand hält.
Die Gelsenbar in der Freudenau ist renoviert worden und noch geschlossen; deren Wiedereröffnung werde ich wohl bei einem der nächsten Praterrunden erleben, wenn es wieder ordentlich viele von den stechenden Biestern gibt. Wahrscheinlich werde ich trotzdem einkehren.

Der bis jetzt „lehrbuchmäßige“ Krankheitsverlauf macht Mut, besonders wenn man Berichte anderer Patienten zu hören bekommt, von denen einige an Dramatik kaum zu überbieten sind. Rückfällige gibt es, die nach drei, fünf oder gar zehn Jahren wieder an Leukämie leiden, andere haben sich unbemerkt Infektionen eingehandelt und befinden sich daher in schlechtem Zustand und fiebern, einem von ihnen musste man beinahe ein Bein amputieren, andere wieder sind kaum mehr behandelbar und werden die Krankheit nicht mehr lange überleben. Die Anzahl derer, die eine Knochenmarktransplantation brauchen, ist beinahe Legion. Besonderen Psychostress haben jene Bedauernswerten, die seit Tagen und Wochen da sind und noch immer nicht wissen, woran genau sie leiden und wie ihre Behandlung ausschauen wird.
Noch immer bin ich zuversichtlich, meine Krankheit nachhaltig zu besiegen. An ein Ende zum Halbjahreswechsel wage ich allerdings schon nicht mehr zu glauben – es besteht die akute Gefahr, dass ich das „Stadlblues Chill Out“ Festival in Gaisruck versäumen werde. Schade! Sehr schade!

Nachsatz: Der alten Dame mit dem Koffer bin ich wieder begegnet. Sie macht einen wackeligen Eindruck und schleppt sich gebückt durch Ebene fünf. Die Farbe hat sie gewechselt  und zieht jetzt einen schwarzen Koffer hinter sich her. Viel muss sie erlebt und durchgemacht haben, einen angenehmeren Lebensabend hätte sie sich wohl verdient.

6 Kommentare

  1. Kopf hoch Werner!
    Ich hatte Chemo von Mitte Mai bis 2.11.2015.
    Danach 30 Bestrahlungen täglich und ich hüpf jetzt herum wie ein junger Hund! Bin kaum zu bändigen trotz nachfolgender Immuntherapie !
    Liebe Grüße Gitti

    1. Danke Gitti… das mit dem jungen Hund und Springen wird nicht mehr so ganz zutreffen bei Werner, doch auch ältere Hunde können noch sehr lebhaft sein…. 🙂 🙂 🙂

  2. Hallo, Werner!
    Schön, wieder etwas von dir in deiner tollen Schreibweise zu lesen!
    Halt dir ganz fest die Daumen!

    Du schaffst das!

    LiGrü Hans

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