Emmas Abschied aus dem Paradies

Ok, ich gebe es zu. Ich bin verliebt, und ich werde geliebt. Sie heißt Emma, eine Immigrantin aus Bosnien. Zwar kann ich mich nicht mit ihr unterhalten, weil ich nicht bosnisch kann, und sie kein Wort deutsch. Ist auch nicht nötig, ihre heißen, feuchten Küsse verraten alles. Noch dazu: die beste Sissi von allen weiß davon und freut sich darüber!
Aber davon später, zuerst die Vorgeschichte:
Wie im letzten Bericht erzählt waren Regina und ich übereingekommen, eine Woche nach unserem Besuch auf dem Reitgut Niederabsdorf nochmals hin zu fahren, dieses Mal zu viert, doch leider war Erik wie (fast) immer am Wochenende im Hard Rock Cafe arbeiten.
Gesagt, getan – eben nur zu dritt plus Jago.
Wie zuletzt wurden wir von einer Meute bellend empfangen, ehe uns die Chefin begrüßte und Getränke anbot. Sissi war beeindruckt davon, was sie sah, wollte aber gleich Lima kennenlernen. Die war nicht schwer zu finden, denn sie war zusammen mit den übrigen Hunden um mich geschart, den Schmankerlverteiler. Alle außer Jago, denn der hielt sich vorsichtshalber mit eingezogenem Schwanz abseits. Unter den begehrlich wartenden war natürlich auch Emma, die zweite zu vergebende Hündin, die als pflegeleicht und verschmust beschrieben war. Die war mir beim letzten Mal schon positiv aufgefallen – in Größe und Gewicht ähnlich wie Jago, auch tiefergelegt, jedoch ein bisschen buschiger.
Sie hat, um mit Sissi zu sprechen, einen „Zahnstand wia a Jagazaun“. Von den sechs Schneidezähnen befinden sich nämlich zwei in einer Reihe dahinter, und der linke untere Fangzahn ist meist „open air“, er ragt bei geschlossenem Maul über die Oberlippe hinaus. Regina bezeichnet sie oft liebevoll als „Säbelzahnhund“, oft auch als ähnlich dreinschauend wie die Hyänen aus „König der Löwen“, beides wenig schmeichelhafte, aber zutreffende Apostrofierungen.
Wie ich einige Tage später vom Tierarzt erfahre, befinden sich unter ihren Vorfahren sehr wahrscheinlich Schäfer und Pekinese, was auch der Grund dafür sein könnte, dass sie beim Atmen leicht röchelt und im Schlaf schnarcht, aber Kehlkopf, Atmung und auch das Herz seien in Ordnung. Die Zahnfehlstellung sei kein Problem, die vorderen braucht sie eh nicht, und die hinteren sind bis auf a bissele Zahnstein ok.
Von ihren Defiziten abgesehen ist sie ein sehr hübsches Tier, jedenfalls ein apart charmantes.
Schon die Woche zuvor hatte ich mich in sie verschaut, mich allerdings nicht geäußert. Eine ihr abzugewöhnende Eigenheit sind ihre „heißen Küsse“ – vertraute Menschen pflegt sie bei jedem Wiedersehen mit feuchter Zunge abzulecken; den Herrschaften in Niederabsdorf war es nicht gelungen, sie davon abzuhalten, aber bei mir wird sie schön schauen (wer´s glaubt). Ein Foto von ihr ist übrigens am Ende der vorangegangenen Story zu sehen.
Wie beim letzten Mal gab es kurze Spaziergänge mit Lima und Emma, die Probleme waren wieder die gleichen, Halsband und Leine wurden vehement aber vergeblich abgelehnt und beide sträubten sich nach Kräften. Jago waren die Damen egal, er zeigte weder Sym- noch Antipathie, ihn interessierten hauptsächlich die zahlreichen Rossknödel.
Nach unserer Rückkehr war der Beschluss einstimmig – eine der beiden würde mit uns fahren, aber welche, das stand noch nicht fest. Mein im Scherz geäußerter Vorschlag, einfach Jago hier zu lassen und an seiner Stelle beide Hündinnen mit zu nehmen, stieß auf Unverständnis und heftigen Protest.
Wieder hielt ich mich beim Auswahlverfahren zurück, scheine aber irgendwie meine Präferenz signalisiert zu haben, denn es sollte Emma sein, die das Paradies Unterabsdorf verlassen würde.
Die finalen Formalitäten wurden erledigt, die Schutzgebühr bar bezahlt, und wir verabschiedeten uns mit der Ankündigung, in jedenfalls nicht ferner Zukunft alle zusammen zu Besuch wieder zu kommen, wozu wir herzlich eingeladen wurden.
Das Einsteigen ins Auto verweigerte Emma so wie beim letzten Mal, sie musste hineingehoben werden. Obwohl Jago ganz ruhig neben ihr auf der Rückbank lag und Regina daneben saß, sie ständig beruhigte und streichelte, hechelte sie wie verrückt. Emma führte uns vor, dass sie sich auch fürchten kann, allerdings nicht vor jedem Schmarren. Sie bedankte sich auf ihre Art, indem sie uns kräftig ins Auto kotzte, freundlicherweise nicht auf die Polsterung, sondern durch den Spalt zwischen Rückbank und Kofferraum, direkt auf die dort gelagerten Schirme.

Fortsetzung folgt..

Werner Simon, 24.9.2015

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