Ein Cowboy auf Station 21K
Der folgende Dienstag, 21. November, begann mit den üblichen Routinemessungen – Temperatur, Blutdruck, Puls – alles im grünen Bereich. Allerdings – noch schlaftrunken lag mein Lungenwert kurzfristig bei nur 92%; den Sauerstoff muss ich wohl noch während der Nacht unbemerkt entfernt haben. Dieser niedrige Wert war für meine normalen Verhältnisse (bei allen Messungen sonst 98 bis 100%) ungewöhnlich; nach etwa einer halben Stunde waren es ohne Sauerstoff wieder 98%, also alles ok.
Zu meiner Überraschung war der Bettplatz beim Waschraum leer, der Bedauernswerte mit seiner plappernden Freundin war nicht da. Die Schwestern ließen mich nicht im Unklaren: Man habe ihn in das Dienstzimmer geschoben, weil er unablässig versuchte sich hochzuziehen und womöglich aus dem Bett zu kraxeln oder hinauszufallen. Dieses Risiko wollte niemand nehmen, man hätte ihn also permanent bewacht werden müssen. Da zogen es alle vor, ihn im Dienstzimmer im Griff zu haben.
Frühstück wurde erst nach neun geboten, was mir aber egal sein konnte, weil ich wegen einer möglicherweise bevorstehenden Gastroskopie sowieso auf nüchtern gesetzt war.
Vor der Visite wurde ich in ein Untersuchungszimmer zu einer neuerlichen Anamnese gebeten, bei der der Herr Doktor beinahe wieder bei Adam und Eva anfing. Es war dennoch ein angenehmes Gespräch, dieselben Fragen, die selben Antworten. Danach wurde ich noch mit dem Stethoskop abgehorcht, ausgiebig getastet und beklopft – alles negativ, keine Auffälligkeiten. Auch das EKG schaute genauso aus wie alle vorangegangenen. Die Frage Gastroskopie oder nicht blieb vorerst offen.
Gerade rechtzeitig zurück zur Visite durch den diensthabenden Oberarzt war Farbe und Konsistenz meines Stoffwechselendprodukts ein Thema, besonders hellhörig aber war er, als ihm von meinem Lungenleistungsausreißer in der Früh hörte. Er schwankte zwischen Gastroskopie, Lungenröntgen oder beidem. Erst später erfuhr ich von einer Schwester, die Magenuntersuchung sei verworfen, die Lungendurchleuchtung nicht. Na gut, wenigstens hat die Fasterei ein Ende und ich konnte mir eine Champignonsoße mit Knödel schmecken lassen, ausgezeichnet!
Schon als ich in meinem ungewohnten Quartier auf der Station 21K eincheckte, war mir ein weiterer Patient aufgefallen, der einen verbeulten, breitkrempigen schwarzen Hut trug sowie einen martialisch aussehenden Kampfanzug. Der wollte auch einchecken, wurde aber von den Schwestern gebeten, noch etwas zu warten, weil sie ja gerade noch mit mir beschäftigt waren. Der Cowboy, wie ich ihn ansprach, huschte kurz herein, stellte einen Koffer nieder und verschwand wieder.
Erst nach geraumer Zeit erschien er wieder, nicht ohne ein Sackerl voll mit Nahrhaftem mitzubringen – er hatte beim Spar kräftig zugeschlagen. Kurz gefragt, warum er denn aufgenommen sei, deutete er in Richtung seiner Leber, sagte nur „Leberblutung“ und „vom Saufen“. Er aß und trank schier ununterbrochen, was zur Folge hatte, dass er vom Oberarzt ermahnt wurde, dies zu unterlassen und sich lediglich auf die hier servierten Mahlzeiten zu beschränken. Sein Bauch sei prall gefüllt mit Flüssigkeit, man müsse vorab erst feststellen, woran dies lag. Der Cowboy nickte zustimmend, ließ sich aber nicht davon abhalten, weiter an irgendetwas zu knabbern, seien es ein paar Kekse, Obst und manchmal ein Bierchen.
Er versuchte stets aufzupassen, damit man ihn nicht erwische…. ich habe ihn auch nicht verraten!