Leukämie ist Scheiße! Teil 63

Down…

In meinem handschriftlichen Tagebuch (schlecht leserlich!) findet sich am 13.11. folgender Eintrag: miserabler körperlicher und mentaler Zustand – Grund kann sein die Grunderkrankung, Vidaza oder Fatigue – was ist es wirklich? Die beste Sissi von allen meint, ich sei zur Zeit gereizter und angriffiger als sonst – ich muss auf  mich aufpassen!

Montag, der 20.11. muss ich wieder ins AKH auf 18J für den vorletzten letzten Tag des aktuellen Vidaza-Zyklus, die Herren vom SMD müssen mich leider im Transport-Sessel zum Auto führen, davor hatte ich mich ohne Sissis Hilfe nicht einmal alleine anziehen können.
Professor Sillaber bemerkte sofort meine miese Verfassung, konnte aber keine Aussage über deren Grund nennen. Ich möge auf mein Zimmer gehen, er werde versuchen, ein stationäres Bett für mich zu finden. Dies war, wie ich auf Grund mehrerer vorangegangener Aufnahmen wusste, keine leichte Übung.
Erst am Nachmittag, als die Tagesklinik schon zu schließen drohte, wurde er fündig, und ich wurde nach Station 21K (Innere Medizin III) gebracht, in die oberste mit dem Aufzug erreichbare Ebene. Obwohl man mich dort nicht kannte, wurde ich freundlich empfangen und für das Erste versorgt. Das Bett beim Fenster war für mich bereit, und ich war nicht schwer zu überzeugen, mich sogleich hinzulegen, Konserven (gelb und rot) waren schon am Freitag bestellt worden, also dauerte es nicht lange, bis sie infundiert wurden. Danach wurden mir noch die zwei Bauchspritzen des sechsten Tages Vidaza verabreicht, wobei noch nicht beleidigte Hautstellen schon schwer zu finden waren.

Im Bett beim Waschraum lag ein bedauernswerter Mann, dessen sichtbare Hautpartien schwere Schäden aufwies, die wie Hämatome aussahen, aber keine waren – ich tippte auf Thrombozyten-Mangel. An seiner Seite saß auf einem Sessel eine schwergewichtige Dame, offenbar die Lebensgefährtin. Sie hielt ohne Unterbrechung seine Hand, und plapperte ohne Unterbrechung wie ein Wellensittich. Ob sie denn wirklich die einzige Frau in seinem Leben sei, ob er sie denn überhaupt noch lieb habe, sie jedenfalls sei ihm immer treu gewesen und werde es auch bleiben.
Zwischendurch tupfte sie ihm mit feuchtem Tuch die Stirn ab, und ob er nicht doch vielleicht einen Orangensaft mag oder lieber ein Wasser, und er möge sich nicht einbilden, dass sie es nicht bemerkt, sobald er sie hintergeht…. Schwachsinniges Gebrabbel einer Spätpubertären aus dem Mund einer gut 65 Jahre alten Dame. Der Bedauernswerte kam überhaupt nicht dazu, auch etwas zu sagen, scheinbar wollte er aber auch nicht. Auffällig war, dass er sich immer wieder mit dem „Galgen“ hochzuziehen versuchte, als ob er sein Bett verlassen wollte; vielleicht wollte er dem Geschwätz entgehen. Die dicke Gefährtin hatte jedes Mal Mühe ihn zurück zu halten, oft musste sie eine Schwester um Hilfe bitten. Kurz nach 20Uhr zum Ende der Besuchszeit verließ sie ihn und drohte, am nächsten Tag so zeitig wie möglich wieder zu kommen. Das konnte ja eine geruhsame Nacht werden. Jedenfalls kehrte fast kontemplative Stille ein, unterbrochen nur von den gestöhnten Fluchtversuchen meines Zimmerkameraden.

Aus mir nicht erfindlichem Grund fühlte ich mich etwas kurzatmig, und ich bat um Sauerstoff, den ich zu meiner Erleichterung alsbald erhielt, eingestellt auf Stufe zwei, mehr war nicht notwendig. Unter Zuhilfenahme einer Schlaftablette verbrachte ich eine ruhige, erholsame Nacht.

 

4 Kommentare

  1. Lieber Werner,
    da ich es leider durch den vielbeschworenen Pensionistenstress, – keine Zeit – verbunden mit viel Einsatz in diversen Gärten (Gablitz, Maria-Anzbach, Kärnten) und dazu noch großer Faulheit
    nicht schaffte, im Sommer zu Dir in den Garten zu kommen, verspreche ich das für den nächsten Sommer, weil ich absolut überzeugt bin, dass Du die ganze grausame Tortour letztendlich gut überstehst und Du dich wieder ganz dem Blues und der Gartenarbeit (ha,ha) widmen kannst.
    Meiner Family geht es Gottseidank sehr gut, alle sind wohlauf und sind natürlich jetzt voll im „besinnlichen“ Weihnachtsstress.
    Ich wünsche Dir, Sissi und all Deinen Lieben einen weitmöglich angenehmen Advent
    schöne Feiertage und ein gutes, besseres, siegreiches Neues!!
    Ganz herzlich,
    Herbert

    1. Lieber Herbert, vielen Dank für die guten Wünsche…. leider keine Besserung in Sicht, schon wieder im AKH stationär, die Abstände werden leider immer kürzer 🙁
      AML ist leider nicht heilbar…. trotz allem – ich werde Werner erzählen von Deinem Schreiben, liebe Grüße an Euch alle!

  2. Ach Werner, ein Wahnsinn!!! Deine Geduld ist bewundernswert. Ich hätte die Schwester ersucht, der Frau zu sagen, dass sie gehen soll. So ein Trampel!!! Dir wünsche ich von Herzen alles Gute und hoffe, dass es dir jetzt wieder besser geht. Liebe Grüße Babsi

    1. Liebe Babsi, danke…. und leider nein, komme grad vom AKH… Zustand ist nicht als besser sondern bloß als etwas weniger schlecht zu bezeichnen, kein Aufstehen, kein Appetit, müde, matt…. 🙁

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