„Grande Finale“ – vorerst aufgeschoben bis…?
Nach einem Grande Finale ist eigentlich alles vorbei, nix geht mehr, aus, Ende, Schluss, basta.
Eigentlich, uneigentlich aber nicht. Es geht weiter hurtig voran. Mit regelmäßigen Ambulanzbesuchen zur Blutbildkontrolle hatte ich gerechnet, vorerst wöchentlich, später in größeren Abständen. Wie er sich’s halt so vorstellt, der kleine Maxi. Ist aber nicht, bei weitem nicht. „You ain’t seen nothing yet“ hat ein Gscheiter gesagt, und so sollte es kommen. Schon während der letzten Tage des stationären Aufenthalts hatte mich Professor Sperr zu Seite genommen und mich gefragt, ob ich mit einer Folgetherapie zur Minimierung des immerhin 45%igen Rückfallrisikos um weitere 10% einverstanden sei, die allerdings mit gewissen Nebenwirkungen einhergehen werde. Es handle sich um vier Subkutanspritzen täglich, mit denen je zwei Wirkstoffe injiziert werden, die der Körper auch selbst produziert, allerdings nicht in ausreichender Menge. Selbstverständlich seien beide Medikamente behördlicherseits genehmigt, allerdings sei es dennoch eine Studie….
Ich muss zugeben, dass ich in der Euphorie im Zusammenhang mit meiner bevorstehenden Entlassung sehr selektiv in meiner Informationsaufnahme war und stimmte zu, die Verminderung des Rückfallrisikos stand im Vordergrund.
Es waren, wie angekündigt, zwei fade Wochen im AKH, bis ich endlich am 19.Juli entlassen wurde, just leider erst einen Tag nach unserem großartigen Konzert von Carolyn Wonderland.
Zwei Tage danach hatte ich mich schon wieder in der Ambulanz einzufinden, und am Montag darauf abermals. An diesem 25.Juli wurde ich von Frau Prof. Gleixner ein zweites Mal um meine Zustimmung zur beabsichtigten Folgetherapie befragt und erklärte mich abermals einverstanden. Sie stellte auch gleich das entsprechende Rezept aus, das vom Chefarzt zu bewilligen sei. Erhältlich seien die Spritzen ausschließlich in der Apotheke am Allerheiligenplatz, also weder in der Nähe meiner Wohnung noch meines Kleingartens. Man werde, beruhigt man mich, die Medikamente in Wochenrationen jeweils rechtzeitig an die gewünschte Adresse mittels Boten liefern, das erste Mal jedenfalls hierher ins AKH, weil ich ja mit der Handhabung der Injektionen vertraut gemacht werden müsse.
Die Therapie werde erst nach einer gewissen Zeit körperlicher Regeneration beginnen, also jedenfalls nicht vor Ende August; vorerst werde mit drei Wochen zu rechnen sein, danach werde man weitersehen. Zunächst aber sei eine weitere Bluttransfusion erforderlich, weil mein rotes Blutbild wieder einmal kein Gemälde ist.
Ich möge mich also zu diesem Behufe am darauffolgenden Tag nach Station 18J gleich nebenan begeben, die Konserven seien bereits bestellt, und acht Uhr in der Früh wäre schwer ok.
Zwischenzeitig pilgerte ich in meine Krankenkasse wegen der Rezeptbewilligung, die ohne weitere Rückfragen erteilt wurde. Der Herr Chefarzt persönlich händigte mir das unterschriebene und gestempelte Papier aus, und die Art in der er mich musterte wollte mir nicht gefallen. Was hatte der erwartet? Einen siechen, ja morituren Krüppel mit Rollator oder wenigstens Krücken? Jedenfalls wünschte er mir freundlicher Weise alles Gute, das Rezept bleibe die gesamte Therapie lang gültig und bewilligt, über das weitere Prozedere wisse man in der Apotheke Bescheid.
Es folgten wöchentliche Kontrolluntersuchungen, mein lahmarschiges Blut wollte sich wieder nur langsam in Richtung Normalwerte bequemen, und es dauerte tatsächlich noch einige Zeit, bis Frau Professor den Therapiestartschuss abfeuerte. Sie persönlich führte mich in die Geheimnisse der Bauchstiche ein, die ich mir drei Wochen lang jeweils zwei in der Früh und zwei am Abend zu verabreichen habe. Das eine Präparat ist eine Fertigspritze und muss bis zur Verwendung gekühlt aufbewahrt werden, das andere befindet sich in kleinen Fläschchen und muss mittels Einwegspritzen aufgezogen werden.
Außerdem darf es nicht auf einmal injiziert werden, sondern innerhalb eines Zeitraumes von zumindest fünf Minuten, andernfalls könnte ich schwindlig werden oder in extremis sogar ohnmächtig. Zweckmäßiger Weise bekomme ich dazu eine Art Sanduhr, die exakt fünf Minuten vorgibt und interessanter Weise von unten nach oben funktioniert, darum heißt sie auch „Paradox“.
Die beste Sissi von allen ist verwundert und erstaunt, dass ich die Bauchstiche tatsächlich selbst erledige, hatte ich sie doch bei früheren Erfordernissen stets darum gebeten, genauso wie im AKH Schwestern oder Pflegerbrüder. Ihre Unterstellung, ich hätte mich nur vor der Frau Professor geschämt, entbehrt jeder Grundlage. Erstens schämt man sich im Spital grundsätzlich nicht, zweitens kann man Mut nicht kaufen, und drittens kann ich mich endlich dem in mir latent schlummernden Masochismus hingeben, ha!
Fortsetzung folgt….