Die ersten Tage mit Emma waren für alle Familienmitglieder inklusive Jago nicht einfach.
Als ursprünglich in Bosnien und danach auf dem Land Beheimatete war sie dem urbanen Treiben zunächst nicht gewachsen, weil ihr so ziemlich alles fremd war. Das Anlegen des Brustgeschirrs samt Leine war wie bereits berichtet nur kurze Zeit lang ein no go, sie gewöhnte sich bald daran.
Hinein in die Aufzugkabine musste sie ein paar Mal recht brachial befördert werden, jetzt geht sie mit Freude hinein, weil Aufzug ist gleich Gassi. Kinderwägen, Fahrräder, Scooter, Skateboards, Rollatoren, Motorräder, Autos und ähnliches waren zunächst unheimlich, später oftmals Ziel bellender Scheinattacken. Der aus der Kolschitzkygasse ums Eck kommende 13er Autobus ist offensichtlich zu groß, um als Bedrohung wahrgenommen zu werden, außerdem sehen Hunde die Farbe rot nicht besonders gut.
Der Weg bis zum Park dauert jetzt länger als gewohnt, Emma muss vieles beschnuppern, das von Jago ignoriert wird, und zusätzlich alles, was Jago aus Markierungsgründen interessiert, also besonders Hausecken und Randsteinkanten. Da die präsumptiven Duftobjekte oft recht weit auseinander liegen, stehe ich nicht selten mit in verschiedenen Richtungen ausgestreckten Armen da, dem Zug an den Leinen wacker standhaltend, wofür es bei den zwei Zehnkilohunden keiner besonderen Anstrengung bedarf.
Die Frage, wie Leute mit großen bis riesigen Vierbeinern dieses Problem lösen, muss ich mir glücklicherweise nicht stellen.
Endlich im Park angekommen, habe ich zunächst nach anderen Hunden Ausschau zu halten, weil Emmas Reaktion auf dieselben bis jetzt nicht vorhersehbar ist. Die meisten Kollegen werden abhängig von deren Größe angeknurrt und/oder verbellt, ehe man sich zur Begrüßung wedelnden Schwanzes auf sie stürzt und eingehender Beschnofelung unterzieht. Wovon es abhängt, wie das darauf folgende Prozedere abläuft, weiß man immer erst im Nachhinein. Von der Aufforderung zum Spielen über Angstreaktionen bis hin zu gegenseitigem Desinteresse ist alles möglich. Jago pflegt sich meist zunächst abwartend im Hintergrund zu halten, bis er Gefahrlosigkeit zu erkennen glaubt und sich nähert – wie bereits festgestellt ist er zwar narrisch, aber nicht deppert.
Die verstellbaren Leinen sind mittlerweile in ganzer Länge freigegeben, wodurch sich beide maximal jeweils bis zu fünf Meter von mir entfernen können und dies auch ausführlich tun, leider oft in verschiedenen Richtungen kreuz, quer und rundumadum, was bis zu einem heillosen Durcheinander führt und mir manchen garstigen Brüller entlockt. Einem routinierten Hundeführer würde dies wahrscheinlich nicht oder nur selten passieren, aber davon bin ich noch weit entfernt. Nicht nur Emma und Jago werden viel üben müssen. Außerdem weiß ich jetzt, warum Tochter Regina kürzere Leinen bevorzugt.
Wird fortgesetzt….
Werner Simon, 10.10.2015