Leukämie ist Scheiße, Freunde!
Weil ich noch immer keinen Gedanken darauf verschwende, stationär aufgenommen zu werden, fahre ich am 30.12.2015 mit dem Auto ins AKH, parke es in der dortigen Garage und melde mich um 10h00 bei der Leitstelle der Blutambulanz. Die Frage nach einem Termin verneine ich wahrheitsgemäß und werde von der freundlichen Rezeptionistin um die aktuellen Befunde gebeten, die mich zu meinem Kommen veranlasst haben. Sie verspricht, die Dokumente unverzüglich dem Herrn Professor zur Ansicht und Einschätzung zu übergeben, ich möge nahe ihrem Schalter Platz nehmen.
Dieser erscheint kurz darauf und sein mitleidig bedauernder Gesichtsausdruck lässt mich nichts Gutes erahnen. Ich müsse, sagte er, unbedingt gleich da bleiben, es sei dringend. Er müsse nur geschwind checken ob ein Bett zur Verfügung steht, ansonsten müsse ich in ein anderes Spital verbracht werden. Unverzüglich rufe ich die beste Sissi von allen an, teile die schlechte Neuigkeit mit und werde sofort ermahnt, ob ich denn unsere Krankenzusatzversicherung zur Kenntnis gebracht habe. Habe ich natürlich vergessen, eh klar, hole das Versäumte nach und schon habe ich ein Bett, Ebene 18, ich möge mich bei der Schwester melden. Dort werde ich schon erwartet, muss aber auf dem Gang warten, bis ein Bett im Zweibettzimmer gerichtet ist.
Ein paar Formalitäten werden mit einem Administrator erledigt, und schon werde ich ins Zimmer 602 gebeten. Als erstes wird meine Körpertemperatur gemessen, und gleich darauf der Blutdruck, der 200 über 110 ergibt, Werte, die nicht einmal in meiner besten Zeit als Hypertoniker zu Buche standen, die mich auf Grund meiner angespannten psychischen Verfassung aber auch nicht wundern. Alsbald wird mir ein Ven-Flo gesetzt und Blut abgenommen, ich zähle an die 30 Ampullen.
Wenig später werde ich nach Ebene sechs gebeten, Lungenröntgen und Herzsonografie werden gemacht. Es gilt fest zu stellen, ob ich die ab dem nächsten Tag beginnende Chemotherapie vertragen werde. Am Weg zurück aufs Zimmer begegne ich der Visite unter Leitung durch Prof. Jäger. Ich werde mit den Fakten vertraut gemacht, der Chemotherapie, der voraussichtlichen Dauer des ersten Aufenthalts etc. Die Therapie wird eine heftige sein, verschiedene Auswirkungen sind zu erwarten oder auch nicht. Die Chance auf totale Heilung wird mit etwa 70% beziffert.
Jäger ermuntert mich, Auffälligkeiten an mir selbst unverzüglich zu melden, mir etwaig auftretende Fragen zu notieren und das Personal „zu löchern“. Jedenfalls möge ich mich auf einige längere Spitalsaufenthalte einstellen.
Das Auto steht in der Garage, Sissi wird es holen und gleich ein paar Sachen mitbringen. Tatsächlich erscheint sie bald darauf zusammen mit Erik, der bei meinem Anblick äußerst emotional reagiert und auf seine gewohnte Coolness glatt vergisst. Er weint… und auch ich erlebe einige sehr bewegte Augenblicke.
Gegen 15h30 fahren Sissi und Erik nach Hause, nachdem wir noch Kaffee bei Starbucks getrunken haben, und ich gehe zurück aufs Zimmer. Es erscheint eine junge Ärztin zusammen mit einer Schwester, um mir Knochenmark zu entnehmen. Ich muss auf dem Bauch liegen und werde lokal betäubt. In der Hüftgegend wird eine geeignete Stelle markiert und zunächst die Haut bis zum Knochen geöffnet, der danach aufgebohrt und Knochenmark abgesaugt wird. Das Prozedere ist nicht wirklich schmerzhaft, aber doch unangenehm.
Als letzte Aktion des Tages kommt ein volontierender Medizinstudent zur Aufnahme der Anamnese und für diverse Untersuchungen. Es werden die üblichen Fragen gestellt und nach bestem Wissen beantwortet. Es wird ein EKG gemacht, Geräusche mit dem Stethoskop abgehört und mein Körper an verschiedenen Stellen beklopft und gedrückt. Der junge Mann, ein Perser wie er selbst sagt, wirkt kompetent und engagiert, hat sogar Humor…
Zwischenzeitig wird mein damaliger Zimmergenosse im Bett hereingebracht. Er kommt von der Dialyse zurück und stöhnt permanent vor Schmerzen. Meine Annahme, dass er auf eine Spenderniere wartet, stellt sich als falsch heraus. Der Mann ist seit geraumer Zeit schwer krank, war mehrfach in Intensivstationen und hat neben vielen anderen Defiziten auch Leukämie. Warum man nicht wirksame Schmerzmittel verabreicht, erfahre ich nicht.
Bald erscheint seine Ehefrau/Lebensgefährtin und bleibt etwa zwei Stunden an seiner Seite.
An den Zustand ihres Partners dürfte sie sich bereits gewöhnt haben. Bald nach ihrem Abgang kommt eine Krankenschwester, setzt sich zu ihm ans Bett und hält seine Hand.
Bald wird das Stöhnen schwächer und verstummt bald gänzlich – der Arme ist eingeschlafen, wie ich kurz später erfahren werde für immer. Dass er so wie ich 71 Jahre alt war, trägt zu meiner Befindlichkeit nichts bei. Man ersucht mich, bis zum Abtransport des Leichnams außerhalb des Zimmers zu bleiben….
Fortsetzung folgt… hoffentlich mit positiveren Ereignissen!
Werner du schaffst es . wir drücken ganz fest die Daumen. lg karin und ossi
Werner, ich denk an dich und halt dir die Daumen! Du hast die richtige Einstellung sowas durchzustehen. lg Christian Dozzler
Hallo Werner,
Du hast schon Schlimmes mitgemacht. Es wird Dir auch diesmal gelingen. Ich wünsche Dir alle Kraft. Übrigens hast Du auch noch Deine Sissi