Leukämie ist Scheiße! Teil 37

Rest in Peace, Gordon!

Es gibt innerhalb des Zentralfriedhofs ganz in der Nähe der Ehrengräber eine Baumgruppe, die man ob ihrer Größe getrost als Wald bezeichnen kann. Die dort befindlichen Laubbäume dienen den  sogenannten Baumbestattungen, bei denen rund um jeden Baum die (biologisch abbaubaren) Urnen mit der Asche kremierter Verstorbener vergraben werden. Dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt, war weder Ann Murray, der Witwe nach dem leider tödlich verunglückten Gordon Murray, noch der besten Sissi von allen bekannt. Erst als die beiden Damen im Zuge der Recherchen von Handlungserfordernissen nach einem Todesfall auch die Zentrale der Städtischen Bestattung besuchten, wurden sie von einem freundlichen Beamten über diese und noch andere Arten von Begräbnissen informiert.

Sowohl Ann als auch Sissi waren von dieser Option positiv angetan, und die Entscheidung fiel sofort: Gordon würde bei den Wurzeln eines Baumes, wenn möglich eines Ahorns, seine letzte Ruhe finden. Prompt wurde der Wald aufgesucht und ein passender Baum gefunden.

 

 

Es wurde zwar kein Ahorn, sondern eine Esche, die bald über dem Boden einen Knick hat – so wie auch unser aller Leben dort und da geknickt ist…

 

 

Der 21. April war ein Freitag mit freundlichem, wenn auch kühlem Wetter. Die Verabschiedung  war für 14h00 in und vor der Halle drei angesetzt; als Sissi und ich mit Regina und Erik kurz vor dieser Zeit ankamen, war das Gebäude schon gut besetzt, Viele warteten vor Eingang. Um die Ecke stand ein Mann im Schottenrock und spielte auf seinem Dudelsack – er würde später die Karawane der Kondolierenden zum Grab mit seinem Spiel begleiten. In der Halle war eine kleine Anzahl Sessel bereit, die bereits besetzt waren; von den bei der Wiener Bestattung bestellten 200 Stück konnte allerdings nicht die Rede sein. Die Urne des Verstorbenen befand sich unmittelbar beim fiktiven Altar; über Anraten Sissis waren die Trauergäste gebeten worden, von Blumenspenden Abstand zu nehmen und stattdessen an zwei extra dafür eingerichtete Unterstützungsfonds für begabte Musikstudenten zu spenden – einer in Kanada für das Nova Scotia Kiwanis Music Festival und einer an unserer Wiener Universität für Musik und Darstellende Kunst wo ja Gordon äußerst gefragter Professor war. Diesem Ersuchen waren offensichtlich alle nachgekommen, denn außer den Rosen der Witwe und der Töchter waren keine Blumen zu sehen.

Die Zeremonie begann pünktlich. Als Erster schritt ein geistlicher Herr zum Mikrofon und replizierte über das Leben Gordon’s. Religiöses ließ er über Ersuchen Ann’s weg, die natürlich genau darüber Bescheid wusste, dass ihr Ehemann mit Religion absolut nichts am Hut gehabt hatte. Wieso ausgerechnet ein Mann Gottes diese Ansprache zu halten hatte, wissen wir nicht – jedenfalls muss er in einem Naheverhältnis zu Gordon und/oder seiner Familie gestanden sein.
Danach war Musik zu sehen und zu hören, diesmal von einem Geige/Cello Duo gespielt. Die Stradivari war auch anwesend, musste aber nicht in Aktion treten. Vielleicht war es aber auch nur ihr Behälter, der vom Besitzer umhergetragen wurde.
Es sprach noch ein ehemaliger Student des Herrn Professor und zuletzt äußerst rührend und ergreifend dessen Tochter und nunmehrige Halbwaise Catherine; viele Nasen und Augen mussten von vielen Taschentüchern dringend gereinigt bzw. getrocknet werden. Dazwischen wurde jeweils ein Musikstück vorgetragen, und nach einer halben Stunde war die Zeremonie beendet. Die Karawane konnte sich in Bewegung setzen. Erst jetzt konnte man realisieren, welch große Anzahl an Trauergästen gekommen waren, um Gordon die letzte Ehre zu erweisen – es müssen weit über 200 gewesen sein. Man hörte Sprachen aus aller Herren Länder, am meisten natürlich deutsch und englisch, aber auch italienisch, französisch, sogar japanisch, sehr viele waren ja extra für diesen Tag angereist. Wegen der Länge des Konvois war der Dudelsack in den hinteren Reihen leider nicht zu hören.

Die Bestattung selbst war einer herkömmlichen durchaus ähnlich. Der Totengräber hatte nur ein kleines, aber ausreichend tiefes Loch etwa einen halben Meter neben dem Baum ausgehoben, das die Urne aufzunehmen hatte. Der Geistliche sprach noch einige Worte, dann wurde der Aschenbehälter versenkt – „ashes to ashes, dust to dust“… Als erste nahm die überraschend gefasste Witwe Ann das Schäuflein voll Erde entgegen, um es ihrem Mann ins Grab mit zu geben. Es folgten die Töchter, danach Verwandte, Freunde und Bekannte in nicht festgelegter Reihenfolge. Während der letzte Trauergast nach etwa einer Stunde seine Portion Erde auf die Urne träufelte, hatten Ann samt den Töchtern Charlotte und Catherine unweit Aufstellung genommen, um die Beileidsbezeugungen jedes einzelnen entgegen zu nehmen. Daneben stand Schwiegersohn Arron (sic!), der das Kondolenzbuch für Eintragungen bereithielt.

Die Simons befanden sich etwa in der Mitte der Warteschlange; es dauerte also geraume Zeit, bis wir von Gordon endgültig Abschied genommen hatten, Witwe und Töchtern letztmalig unseres tiefen Mitgefühls durch tröstende Worte und starke Umarmungen versichert hatten.

Mittlerweile waren wir auch schon einiger Maßen in Zeitnot geraten, weil Erik um 16h00 in den Genuss einer Nachhilfestunde in Mathematik kommen sollte  – seine Berufsreifeprüfung stand bevor – wir uns aber um diese Zeit noch immer auf dem Friedhof befanden. Ohne das Ende der Zeremonien abzuwarten verabschiedeten wir uns „ohne Vorhang“; eine Hälfte der Nachhilfestunde ist sich für Erik noch ausgegangen.

Dass sich seine Grabstätte sehr nahe der Falco’s befindet, wird unserem lieben Professor Gordon Murray ziemlich egal sein…

 

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