Leukämie ist Scheiße! Teil 27

-heißt zirkulieren nicht rundumadum?-

Wie gewöhnlich war der Sonntag aktivitätenreduziert, also a bissl langweilig. Die üblichen Morgenverrichtungen waren bald erledigt, Körpertemperatur fast normalisiert, Blutdruck wenig erfreulich, Puls noch weniger. Frühstück mit Ausnahme von Tee mangels Appetit und Striezel wieder verweigert. Die beiden periphervenösen Katheter (kurz Venflons) vom Vortag funktionierten erfreulicher Weise noch, der eine davon war sowieso durch die Spritzendosierpumpe blockiert, der andere lieferte sogar von innen nach außen; es musste also für die Blutprobe nicht neuerlich gestochen werden.

Auf eine neuerliche Anamnese wurde verzichtet, als „Stammpatient“ hätte ich auch kaum neue Fakten liefern können.
Eigentlich schade, denn schon gestern hatte ich unter dem Personal eine Studentin aus Coimbra (Portugal) bemerkt, mit der ich ganz gerne geplaudert hätte. Na gut, ein anderes Mal vielleicht.

Zu Mittag bot die vegetarische Kost Apfelstrudel und Apfelkompott an, beides probierte ich trotz guter Qualität nur lustlos.
An ein Aufstehen war nach wie vor nicht zu denken, die beidseitigen Venenzugänge zwangen mich sogar zum Liegen auf dem Rücken, was auf die Dauer meiner 40 Jahre alten Sakraldermoid-Narbe auf dem Steiß gar nicht gefiel; die abwechselnde Anhebung jeweils einer Arschbacke nehme ich als Fitnessprogramm für Faule zu den Akten. An ein Mittagsschläfchen war unter diesen Umständen nicht zu denken, also nützte ich die Zeit zum Grübeln über die baldige Gastroskopie, die für den folgenden Montag (31.) 08:00 früh angesetzt war. Das Taferl „nüchtern“ über meinem Bett war verzichtbar und entbehrlich, es störte mich aber auch nicht; Appetit hatte ich sowieso keinen. Zu späterer Stunde bekam ich noch Besuch von der lieben Familie, ein erfreulicher Gesprächspartner werde ich kaum gewesen sein.

Die folgende Nacht war nicht wirklich erholsam, zu sehr waren meine Gedanken und in der Folge mein Traum mit der Magenuntersuchung beschäftigt. Ein Schlauch durch den Mund bis in den Magen – da wird sich doch schon manch einer ordentlich angekotzt haben, und ich werde der Nächste sein.

Tagwache war schon gegen ½ 6 (unfreiwillig), Körperpflege Marke Katzenwäsche, Frühstück sowieso keines.
Bald war es 8h00, 8h30, 9h00… na und? Was is? Acht wird’s erst am Abend wieder, kennt hier niemand die Uhr? Weiß hier niemand, dass da ein Aufgeregter im Bett liegt und sich a bissl fürchtet?   Na gut, eine Stunde Verspätung ist für einen Moloch wie das AKH nichts Neues, jetzt werden die Transporteure eh gleich da sein. 9h30, 10h00 – weiß hier niemand, dass der Simon hie und da auch grantig werden kann? 10h15 – es klopft, die Tür geht auf. „Simon?!“, „ja, hier!“, „Geburtsdatum?“ Jetzt falsche Ziffern und Zahlen zu lügen wäre keine Lösung, es gibt kein Entkommen, bald muss gespieben werden, also fahr ma – samt dem Bett.

Ebene sieben, glaube ich mich zu erinnern. Ambiente gleich wie in den meisten Abteilungen: Leitstelle, Wartezonen, Gänge, ein Schippel Türen, Wartende, Personal… Irgendwie kommt man sich privilegiert vor, wenn man im Bett vorgefahren wird, vorbei an den gewöhnlichen Sterblichen. Ist natürlich ein Schmarren, der einzige Vorteil ist der, dass man während dem Warten liegt und sich den Plafond anschauen kann.

Der Träger/Fahrer/Schieber platziert mich in einem der Gänge exakt unter einem Riesenfoto von Rio de Janeiro, aufgenommen von der Christusstatue in Richtung Zuckerhut. Ok, nehme ich als ein gutes Omen, nur so lange hätte ich es nicht anschauen wollen, weil es fast schon Mittag ist.

Endlich dringe ich in das Herz der Räumlichkeiten vor und werde von einem engelgleichen Wesen mit einer Stimme wie Lorelei empfangen, die mir mitteilt, dass das ganze Prozedere etwa 10 bis 15 Minuten dauern wird, und ob ich nicht derweil ein bissl schlafen mag. Ja ist denn die ganze Welt deppert g’wordn? Ich kann die ganze Zeit nicht so schnell zittern, wie ich mich fürcht‘, verschwend‘ nutzlos Pulsschläge zu Hauf, und dann fragt mich diese Schönheit von einer Schwester, ob ich nicht ein leichtes Narkoserl will. Kann einem nicht irgendwer vorher sagen, dass es diese Möglichkeit gibt? Dass das organisierte Erbrechen nicht stattfinden wird? Gibt’s irgendwen, der in dieser Situation dankend ablehnt? Ich pack’s nicht!

Kurz darauf erscheint die durchführende Ärztin, eine Chirurgin mit fast vollständig abgeschlossener Ausbildung. Die ist auch sehr freundlich und bietet mit einem leicht bayrischen Akzent ebenfalls ein Schläfchen an, das alsbald eingeleitet wird. Es ist noch nicht halb eins, als ich wieder munter werde; die Frau Doktor ist schon beim Eintippen ihres Berichts, ich möge mich doch vom Operationstisch wieder in mein Bett hinüberwuzeln und ruhig noch liegen bleiben, der Träger/Fahrer/Schieber wird eh gleich da sein.

Und so geschah’s. Der Transporteur erschien alsbald und führte einen erleichterten Simon zurück in sein Zimmer, wo er in aller Ruhe das Ergebnis der Gastroskopie abwartete, das Prof. Sperr bei der Visite am folgenden Dienstag kundtat. Wenig Aufregendes sei herausgekommen, die Schleimhäute hätten ein wenig geblutet, aber auch das sei erledigt. Übrig bleibt ein bissl eine Gastritis, die man ja unbedingt braucht, um nicht als Nebochant zu gelten. Unter Fortsetzung der medikamentösen Therapie würde ich mit ziemlicher Sicherheit nach dem Wochenende heimgehen dürfen.

Das wurde ausnahmsweise auch wahr: neben den Arzneien wurden mir sechs Erythrozytenkonserven und zwei Thrombozytenkonzentrate in die Venen infundiert. Außerdem wurde der ab 6.2. geplant gewesene dritte Zyklus Vidaza auf 13.2. verschoben, und eine Kontrolluntersuchung in der Ambulanz für den 9.2. angeordnet. Am Montag, den 6.2. ging ich nach Hause.

Heißt zirkulieren also rundumadum? Normal schon, bei mir offenbar nicht 

Emma wartet immer sehnlichst auf ihr Herrli… im Vorzimmer hört man ja besser wenn er kommt!

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