Lange ist es her, seit ich das letzte Mal vom Jago erzählt habe. Lange deshalb, weil es kaum Neues über ihn zu berichten gab.
Er ist noch immer der Angsthund, der er von Anfang an war, und ich stehe nicht an zuzugeben, dass mich das mittlerweile stört. Es nervt mich. Die Befürchtung ist nicht grundlos, dass ihn diese Eigenheit nie verlassen wird, und es wird mich nerven. Zwar scheint er mittlerweile Vertrauen zu seinen Rudelvorderen zu haben, aber Fremdbeeinflussungen wird es halt immer geben, und er wird sich fürchten. Dazu kommt, dass er nach wie vor in keiner Weise bestechlich ist – sobald er angstvoll den Schwanz zwischen die Beine klemmt, verweigert er jede Streicheleinheit und jedes Schmankerl, sogar seine Lieblingssnacks. Da kann man nix machen, damit muss er und wir alle leben, und mir wird es weiter gehörig auf die Socken gehen.
Dabei hat er schon eine Menge gelernt, versteht Kommandos, befolgt sie aber nicht, wenn er
a) sich gerade fürchtet
b) der Dackel in ihm durchkommt.
Untertags bei Schönwetter, wenn der Draschepark voller Leute und Hunde ist, gefällt ihm das nicht so gut, weil es sind für ihn alle eine potentielle Bedrohung, besonders wenn im „Käfig“ Ball gespielt wird. Er erledigt die Erfordernisse seines Stoffwechsel so schnell es geht und will wieder heim. Nächtens geht er gerne Gassi, und ich lasse ihn sogar in der Finsternis von der Leine, auch wenn ich ihn oft nicht sehe. Das macht nichts, denn er sieht mich immer. Absichtlich lässt er sich zurückfallen, um dann im Galopp auf mich zuzukommen. Da setzt er sich dann unaufgefordert vor mir hin, und da nimmt er, ja fordert er ein Schmankerl, und natürlich kriegt er es auch, inklusive Streicheleinheit und Lob.
Eine Eigenheit soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, nämlich seine Fressgewohnheit.
Jago ist ein Gesellschaftsmahlzeiter. Gewöhnlich wird er gegen 18h00 gefüttert, seine Schüsseln mit frischem Wasser und dem Menü des Tages gefüllt, und es sollte los gehen. Tut es aber nicht. Bevor nicht alle in der Wohnung befindlichen Vertrauenspersonen bei ihm in der Küche sind, kann nicht gefressen werden. Er verbellt mich, der ich eh schon da bin, damit ich ja nicht weggehe. Dann läuft er zur besten Sissi von allen und verbellt die so lang, bis sie auch kommt. Wenn das erledigt ist, nimmt er eventuell einen Happen, hört aber gleich wieder auf und rennt ins Vorzimmer schauen, ob nicht noch wer da ist, Freund oder Feind. Dann wedelt er uns an und frisst wieder ein bissl, um die Observierungszeremonie noch ein paar Mal zu wiederholen, bis er endlich fertig ist. Es kann also inklusive finalem Rülpser ganz schön lange dauern, bis wir die Küche wieder verlassen dürfen.
Aber schließlich will man seinen Hund ja nicht hungern lassen, oder?
Werner Simon, 8.9.2015