Wiederkehr nach 18I am 9.9.17…
Der Weg von der Notfallaufnahme bis zur Station 18I ist weit, zu Fuß hätte ich ihn in der Situation nicht geschafft. Erik schob den Rollstuhl wie ein Routinier, hat er doch schon in früher Jugend auf einem Sommercamp gemeinsam mit gehandicapten Kindern Rollstuhl-Rennen mitgemacht.
Auf den Gängen war der Uhrzeit entsprechend wenig Verkehr, wir kamen zügig voran. Dienst auf der Station hatte von mir sehr geschätzte Schwester Johanna, die mir von früheren Aufenthalten schon bestens bekannt war. Ihrem Dialekt zufolge dürfte sie aus Kärnten stammen; sie ist nicht nur fachlich sehr kompetent, sondern verfügt auch über Hausverstand und hat einen gesunden Schmäh. Sie begrüßte mich herzlich und schien sich über mein Kommen wirklich zu freuen.
An weiteres Nachtdiensthabendes Personal erinnere ich mich nicht, weil Johanna meine Betreuung fast zur Gänze alleine wahrnahm. Erik schaute noch interessiert zu, wie mir ein Ven-Flon gesetzt wurde, bevor er sich mit einer heftigen Umarmung verabschiedete. Er werde bald wieder kommen, ich möge inzwischen nachdenken, was ich eventuell brauche, oder womit er mir Freude bereiten könne.
Alsbald wurde mir eröffnet, ich müsse bis auf weiteres nüchtern bleiben, nicht wissend, wann die vorgesehene Gastroskopie durchgeführt werden würde; selbstverständlich werde dort (Ebene 7) auch sonntags gearbeitet.
Als erste Maßnahme wurde mir eine reichliche isotonische Kochsalzlösung infundiert, weil die Blutkonserven noch nicht geliefert waren oder noch gewärmt werden mussten. Dazu bekam ich ein weiteres Medikament (Cyclokapron, 4,2ml/h), das mittels eines Somatostatin-Perfusors (Pumpe) gegen Entzündungen im Magen, das ununterbrochen in die Vene geleitet wird. Diese Prozedur kannte ich schon von der früheren Gastroskopie – sie macht wenig Freude. Bald war das Erythrozytenkonzentrat (sprich Blut) warm genug, ein Arzt befestigte die Schläuche und brachte die erste Konserve ins Tröpfeln. Für die zweite drehte ich einfach den Zulauf um; inklusive der finalen Spülung dauerte dies insgesamt etwa vierzig Minuten. Insgesamt wurden während des gesamten stationären Aufenthalts drei Mal zwei Blutbeutel und ein Säckchen Thrombos infundiert.
Bewegungen außerhalb des Bettes mit dem reichlich bestückten Infusionsständer sind äußerst mühsam, eilig haben darf man es schon gar nicht – also ließ ich mir für alle Fälle eine Windelhose verpassen, weil der pechschwarze Durchfall jederzeit drohte, zusätzlich verlangte ich einige Harnflaschen. Damit waren vorerst alle nötigen Maßnahmen erledigt, und ich vertraute mich Morpheus an. Überraschender Weise konnte ich bald einschlafen und wurde erst am nächsten Morgen wach, rechtzeitig zum Fieber-, Blutdruck- und Pulsmessen. Frühstück war gestrichen, ich dürfe maximal ein paar Schluck Wasser trinken, damit ich wenigstens meine Morgentabletten schlucken kann.
Der folgende Sonntag, der 10.9., war ein trüber, regnerischer Tag, gerade recht um im Bett zu bleiben. Also döste ich noch eine Weile vor mich hin und ließ meinen reichlich sprudelnden Gedanken freien Lauf. Nach einiger Zeit wurde dies langweilig, und darüber hinaus meldete sich mein blöder Weise wiedergekehrtes Rauchverlangen. Der Teufel muss mich geritten haben, als ich kurzerhand das Stromkabel und die Venenzufuhr abhängte – aber vorerst passierte nichts, kein warnendes Piepserl, kein Warnlamperl, einfach nix. Bewaffnet mit Zigaretten und Feuerzeug wanderte ich in Richtung zur gelben Tür (die in einer früheren Folge ausgiebig beschrieben ist), rauchte unbehelligt meine Pall Mall und begab mich zurück aufs Zimmer. Als ich Strom und Venenschlauch wieder anbrachte, passierte auch nichts, alles ging weiter wie zuvor… inzwischen bin ich ja sehr erfahren mit diesem Handling.
Mittlerweile war es fast Mittag geworden, ich hatte sogar Appetit, wenn nicht Hunger. „Höre Magen“, sprach ich, „knurre so viel du willst, heute kriegst du nix, ob es dir passt oder nicht“. Allgemein wurde das Mittagessen serviert, natürlich aber nicht für mich, es werde aber vorerst aufgehoben. Gegen 13h00 kam die Nachricht, heute werde es nix mit der Gastro, ich dürfe was Essen, allerdings maximal bis um sechs am Abend. Es gab Champignonsoße mit Serviettenknödeln, ich ließ es mir schmecken.
Noch im Verlauf des Nachmittags erreichte mich die Meldung, die Gastroskopie werde erst am Dienstag, dem 12.9. gleich in der Früh durchgeführt werden, daher also Essen bis um sechs am Abend, Trinken bis Mitternacht. Obwohl mir das Prozedere des Eingriffs bekannt war, wurde ich am Vorabend zusehends nervös, und ich ließ mir Zoldem (Schlafmittel) verabreichen, weil ich sonst nicht einschlafen hätte können. Erst nach 23h00 nahm ich das Medikament ein und wurde gegen sieben Uhr morgens wach. Schon nach einer halben Stunde erschien der Träger und fuhr mich nach Ebene sieben. Kurz musste ich auf dem Gang warten, bis ich die erste von zwei Türen passierte, wo ich leider wieder exakt unter dem mir auch schon bekannten Riesenposter eines schönen Fotos von Rio de Janeiro abgestellt wurde.
Ich müsse noch warten, die durchführende Ärztin sei noch mit einem Patienten beschäftigt. Ich konnte mir an die dreißig Minuten Rio de Janeiro ansehen, bis ich durch die zweite Tür in das Behandlungszimmer geschoben wurde. Die assistierende Schwester stellte noch ein paar Frage, darunter auch ob ich den Eingriff schlafend hinter mich bringen wolle (no na!). Sie brachte mich in die richtige Seitenlage, als auch schon die Ärztin erschien. „Gute Nacht“, hörte ich die beiden noch sagen und dachte mir, jetzt wirst du bald einschlafen. Tatsächlich war ich schon nach Sekunden entschlummert, denn als ich die Augen öffnete befand ich mich bereits in einer Aufwachkoje und alles war vorbei.
Zurück im Zimmer fand bald die Visite statt; der Professor war zufrieden und ordnete zu meiner Freude die Entfernung der Infusionspumpe an, wie schön! Die Gastroskopie habe keine akute Blutung festgestellt, dafür habe sich netterweise in meiner Speiseröhre ein Pilz (Candida) angesiedelt der mittels Fluconazol (600mg für sieben Tage, danach bis auf weiteres 200mg täglich) bekämpft werden müsse.
Erwartungsgemäß wurde ich von Erik, Regina und der besten Sissi von allen besucht. Letztere ließ es sich nicht nehmen, am Mittwoch, 13.9. bei der Visite dabei zu sein, die von Prof. Knöbl abgenommen wurde.
Der Pilz habe mich wegen meines insgesamt nicht berauschenden Allgemeinzustands samt schwachem Immunsystems überfallen, woher das G´frast kam, wisse niemand, es sei aber mit dem vielfach erprobten Fluconazol gut bekämpfbar. Die Frage nach verbotener oder eingeschränkter Nahrung verneinte er, „essens, was sie wollen“. Seine erfreulichste Ansage aber war, ich dürfe am Nachmittag nach Hause fahren und möge mich am Montag für Vidaza wie gewohnt auf Station 18J einfinden.
Schon Dienstagabend hatte mich Regina mit allerlei Ess- und Trinkbarem versorgt, vieles davon konnte ich nicht mehr konsumieren und brachte es mit Mühe in der zur Verfügung stehenden Tasche unter. Gegen 16h00 war der Patientenbrief fertig; bald war der Transport zur Stelle und brachte mich heim…
Ach Werner, das mit der Raucherei verstehe ich nur zu gut. Ich kann’s auch nicht lassen. Der Pilz ist sowas von unnötig. Trotz alledem sende ich dir liebe Grüße. Sei umärmelt! Ganz liebe Grüße natürlich auch an dich liebe Sissi!!! Herzlich Babsi