Leukämie ist Scheiße! Teil 26

Wohin zirkuliert mein Blut?

Da war ich also am Freitag, dem 27.1. wieder im AKH, zunächst auf Station 18J, alsbald aber neuerlich auf 18I, stationär aufgenommen nach Beharrlichkeit und Durchsetzungsvermögen der besten Sissi von allen.

Als die diensthabende Ärztin die Blutkonserven zur Infusion vorbereitet, kann sie es sich nicht verkneifen, mir zu gratulieren: der bei der Kontrolle festgestellte Hämoglobinwert von 3,7 sei der niedrigste, mit dem sie jemals konfrontiert war. Absoluter Minusrekord, zurückzuführen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Meläna (durch Blutbeimengungen abnormal schwarz gefärbter, meist auch übelriechender und glänzender Stuhl) in signifikantem Ausmaß. Das frisch zugeführte Blut wirkte sich bald aus, mein Zustand wurde etwas weniger schlecht.

In körperpflegerischer und hygienischer Hinsicht war ich nicht sonderlich herzeigbar, aber das war mir in der Situation egal, um das würde man sich am nächsten Tag schon kümmern. Meine nicht vorhandenen Mobilität verhinderte die Erreichbarkeit des gekachelten Nebenraums, erstens weil ich sowieso bewegungsunfähig war und zweitens weil ich alsbald links- und auch rechtsseitig an den verschiedensten Schläucheln hing.

Wie weiland Maria Theresia verlangte ich nach einem Klosett auf Rädern, weil das Rumoren im Bauch neuerlichen Durchmarsch durch heftige Koliken ankündigte. Rechtzeitige Anlieferung desselben verhinderte weiteres Malheur; dass das ausschließlich zweckorientierte Möbel völlig schmucklos war, keinerlei Goldverbrämungen, Intarsien oder sonstige Behübschung anzubieten hatte, ja nicht einmal artig verchromt war, war mir in der Not völlig wurscht, funktionell war’s. Absurder Weise gingen mir in der Situation die Lakaien der Kaiserin durch den Sinn, die deren Abführvorgang wohl beizuwohnen hatten; sollte diese ähnlich aktive Geruchserlebnisse anzubieten gehabt haben wie ich in jener Nacht, könnten Mitglieder der Dienerschaft dort und da in Ohnmacht gefallen sein.
Glücklicher Weise war das Bett unmittelbar neben meinem nicht belegt, dies vielleicht nicht ohne Absicht.

Es war spät geworden, die Erstversorgung erledigt. Prophylaktisch ersuchte ich noch, mir für alle Fälle eine Windelhose anzuziehen; Harnflaschen wurden unaufgefordert geliefert. Eine letzte Messung ergab eine Körpertemperatur von 38,5°, was meinem Einschlafvorgang sehr förderlich war. Es war mir eine überraschend ruhige Nacht vergönnt.

Der folgende Samstag brach aktiver an als an Wochenenden üblich. Frühstück verweigerte ich mangels Appetit und Striezel, Tee nahm ich gerne an. Alsbald erschien eine freundliche Schwester und holte mich zur höchst fälligen Körperpflege ins Bad ab. Details halte ich für verzichtbar; hinterher trockene Tücher und dann ein frisches Nachthemd trugen maßgeblich zur Verbesserung meines Allgemein-zustands bei. Sogar mein Stoffwechselmechanismus ließ mich vorerst gnadenhalber in Ruhe.

An dieser Stelle halte ich es für angebracht, endlich einmal mit medizinischer Kompetenz zu brillieren: zu den bereits erwähnten Blutkonserven (insgesamt sechs) kamen Thrombozyten (zwei Mal), Antibiotikum, Cyklokapron, eine Spritzendosierpumpe („Perfusor“) zur Dauerverabreichung vom Somatostatin hinzu (kein Anspruch auf Vollständigkeit, Unbekanntes darf gegoogelt werden), alles Maßnahmen gegen die offensichtlich zu bekämpfende Gastrointestinale Blutung.

Gegen 11 Uhr erschien Sissi, gerade rechtzeitig zur Visite, die zu unserer Überraschung Herr Prof. Sperr persönlich abnahm.
Als ich von der vorangegangenen Kieferoperation samt nachfolgender Schmerzbehandlung mit Seractil Forte berichtete, rollte er mit gerunzelter Stirn die Augen, leider so, dass meine neben meinem Bett stehende Ehefrau dies registrierte und mitbekam. Mehr hatte ich nicht gebraucht; der liebe Professor hatte ein untrügliches Indiz für den Grund meiner Blutung, bestätigte somit die Vermutung der guten Sissi, die mir sofort gefechtsmäßigen Medikamentenmissbrauch unterstellte. Der liebe Professor hatte völlig recht, die gute Sissi zum Teil, weil ich doch über einen längeren Zeitraum mehr Tabletten als zuträglich geschluckt hatte.
Siehe Teil 25: SskM!

Der ab dem folgenden Wochenbeginn vorgesehene weitere Zyklus „Vidaza“ wurde vorerst verschoben, vorerst sei mein jetziger Zustand zu bessern resp. abzuheilen, wozu als nächster Schritt eine Gastroskopie am kommenden Montag erforderlich sei. Ich möge mir keine großen Sorgen machen, man werde die Geschichte schon in ein paar Tagen im Griff haben. Die Gastro sei an sich auch nix Aufregendes, nur die Einführung des Schläuchels bis in den Magen a bissl unangenehm. Leicht redt‘ er sich´s, der Herr Sperr, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich mich beim Einführen der Sonde nicht sofort anspeib‘!

Also schau ma halt amal! Fortsetzung folgt….

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