Eine hodenlose Gemeinheit…

Eines war ihm von vornherein bestimmt und unabdingbar: seine Männlichkeit war von kurzer Dauer und musste geopfert werden. Dies gehört zu den Auflagen, die das Tierschutzhaus allen potentiellen und künftigen Hundeadoptivhaltern macht. Die Operation wird dort selbst von geübten VeterinärInnen durchgeführt und ist im Mitnahmepreis inkludiert.
Flugs wurde ein Termin mit einer Gnadenfrist von ein paar Wochen fixiert, und ich nahm mir fest vor, mir Jagos Verhaltensmuster insbesondere beim Gassigehen genau einzuprägen, um Veränderungen, derer ich mich sicher wähnte, feststellen zu können.
Am vereinbarten Tag reiste der Rest der Familie nach Vösendorf, um diesem Akt der vermeintlichen Grausamkeit beizuwohnen und das waidwunde Tier hinterher wieder in die mittlerweile gewohnte Umgebung zurückzubringen.
Schon nach weniger als drei Stunden war alles vorbei, Jago hat es fürs erste überstanden.
Die erste Auffälligkeit war ein riesiger Plastiktrichter, der vom Hals ausgehend konisch den ganzen Kopf beinhaltete und den plausiblen Zweck hatte, Eigenberührungen jedweder Art an den kunstvoll in blau bepinselten Stellen hintanzuhalten. Große Freude bereitete ihm das Ding nicht, Abstreifversuche wurden aber bald als nicht zielführend erkannt und aufgegeben.
Zehn Tage lang musste der arme Hund dieses Ungetüm ertragen, das zu vielen ungewollt komödiantischen Aktionen führte, weil seine Lernfähigkeit Grenzen hat und Dimensionen vielfach falsch eingeschätzt wurden – kurzum, er blieb immer wieder irgendwo hängen oder stieß irgendwo an, wo er doch gewohnt war, mühelos durchschlüpfen zu können.
Suff und Fraß hatte er bald heraußen, unterstützt durch schmalwandigere Gefäße, denen er sich gekonnt von unten näherte. Im Freien bewegte er sich wie immer, die lustigen und halblustigen Kommentare von Passanten ließen ihn mehr kalt als mich, nur das Beschnuppern anderer Hunde war bis hin zur Unmöglichkeit erschwert. Auf weichem Untergrund wurde er zu einem Leichtcaterpillar und schaufelte manches in den Trichter hinein.
Pünktlich am zehnten Tag wurde Jago von seiner Peinigung befreit und die Stunde der vermeintlichen Bestätigung meiner Befürchtungen war gekommen – nichts davon trat ein.
Er bellt nicht im Sopran, schnuppert wie zuvor, pinkelt wie gewohnt, nähert sich anderen Hunden wie immer freudig erregt oder reserviert, fürchtet sich nach wie vor allem, was eine Bedrohung sein könnte – kurzum, er ist der Alte geblieben. Ob ihn eine empfangsbereite Hündin aufregt, konnte bisher mangels einer solchen nicht festgestellt werden, anstellen wird er nichts können und beweisen auch nicht.
Eines wird für menschliche Nasen nicht zu verifizieren sein: Die Literatur behauptet, kastrierte Hunde duften wie Hündinnen, allein es fehlt mir der Glaube. Noch kein einziger Rüde hat einen Aufritt probiert, und ich habe Zweifel, ob der Jago sich das gefallen lassen würde. Stinkt etwa ein Ochse wie eine Kuh, ein Wallach wie eine Stute? Wir werden es nie erfahren, und ich will es auch gar nicht wissen, nicht so genau!

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