Leukämie ist Scheiße! Teil 29

Rückfall?

Am Ersten zeigte sich der März noch ruhig und versöhnlich.

Weil er auf einen Mittwoch fiel, kam um 9h00 unser guter Geist namens Luca, während die beste Sissi von allen und ich die Wohnung verließen, um ein paar Besorgungen zu machen. Gegen 14h00 waren wir nach erfolgreichen Erledigungen zum Mittagessen zurück und fügten eine verdiente Siesta hintan.

Mit 132/77 war mein Blutdruck ok, der Ruhepuls mit 92 gefiel mir nicht, war aber nicht Besorgnis erregend. Den Nachmittag widmete ich dem Sortieren und Schlichten diverser Dokumente, Befunde, Ärztebriefe und sonstiger Käsepapierln, was mich bis 18h00 beschäftigte. Der Abend verging vor dem Fernseher, vor der Nachtruhe um 23h30 hatte ich noch immer (oder schon wieder?) Puls 92, und den nahm ich mit ins Bett.

Zeitig in der Früh des 2. März  zwangen mich die Erfordernisse des Stoffwechsels hastig ins Bad, wo ich wegen Schwindels zu Sturz kam und Halt suchend ein Sideboard komplett abräumte. Ich fühlte mich schwach, mein Herz schien  zu rasen (Puls 100), und ich legte mich vorerst einmal wieder schlafen – ohne Sissi zu wecken bzw. zu informieren. Die hatte natürlich das Chaos im Bad nach ihrem Erwachen sofort entsetzt entdeckt, ließ mich aber weiter ruhen!

Als ich wieder aufwachte, war es bereits 14h00, mein Puls war auf 120 geklettert, wo er wirklich nichts verloren hatte, und ich fühlte mich so elend, dass ich Sissi zwei Stunden später bat, die Rettung zu rufen… was sie eigentlich sofort vorgeschlagen, ich aber noch verweigerte hatte!

Um 16h30 fuhr das Blaulichttaxi beim AKH vor, und ich wurde in die Notfallambulanz gebracht, wo man alsbald feststellte, dass ich zwar „hämodynamisch und respiratorisch“ stabil, mein Hämoglobin mit 4,9 aber besorgniserregend sei und unverzüglich zwei Blutkonserven verabreicht werden müssen, was auch sofort geschah. Danach wurde ein Zuwachs auf 5,8 gemessen, noch immer kein berauschend guter Wert.

Die Nacht verschlief ich ruhig in einer Art Koje in den Behandlungsräumlichkeiten der Notfallambulanz, wo man mich offenbar dauernd überwachte. Das angeschlossene Dauer-EKG zeigte in der Früh keine Auffälligkeiten, dafür war das Hämoglobin wieder auf 4,9 gefallen, und weil die Thrombos mit weniger als fünf auch nicht gefielen, wurden zunächst einmal Plättchen eingefüllt; auf die Blutkonserven musste man etwas warten. Zwischenzeitig hatte man (erst nach Sissis telefonischer Intervention) Kontakt mit der Ambulanz in  6I aufgenommen, wohin man mich nach Rücksprache auch hinbrachte; die zwei Sackerln mit Blut waren zwischenzeitig angekommen und wurden mir mitgegeben.

Professor Sillaber wartete schon auf mich, ich schien ihm nicht sonderlich gut zu gefallen, denn er veranlasste unverzüglich meine stationäre Aufnahme in 18I, wo ich mittlerweile ja schon bestens bekannt war; jedenfalls wurde ich fast wie ein alter Freund willkommen geheißen. Das mitgebrachte Blut wurde über den ebenfalls mitgebrachten Ven-Flon infundiert, dann war Nachtruhe.

Am 3. März erhielt ich wieder den Diffusor mit 4,2 Einheiten Somatostatin, der mir bis zum 8.3. rund um die Uhr erhalten blieb. Insgesamt ging es mir einige Tage lang nicht gut bis mies, ich bekam weiteres Blut und Thrombos verabreicht, außerdem Tabletten gegen Durchfall und Übelkeit. Mahlzeiten wurden in Breiform verabreicht, wenig gewürzt und entsprechend geschmacklos. Appetit hatte ich sowieso kaum, also verweigerte ich weitgehend die Nahrungsaufnahme.
Mein Hämoglobinwert bewegte sich zwischen 4,7 und 8,0, die Thrombos zwischen 12 und 19, nur die Leukozyten waren mit 6 bis 12 ok, was den Ratiogratimspritzen zu verdanken war.

Sissi, Regina, Norbert und Erik waren abwechselnd zu Besuch; mein Nachtschlaf war weitgehend ok. Mein Stoffwechsel-Endprodukt sah dem des letzten stationären Aufenthalts sehr ähnlich; ob ich zuletzt verfrüht entlassen worden bin oder gerade einen Rückfall zu erlitt, werde ich nie erfahren – jedenfalls war die Behandlung ident.

Am Abend des 8. März wurde ich den Diffusor los und konnte mich endlich wieder freier bewegen, was für eine Wohltat!

Tags darauf nahm Frau Prof. Gleixner die Visite ab, freute sich über meinen Blutbefund, der ihr gut gefiel und über die Aussage, mein Ausscheidungsprodukt fange an, sich zu normalisieren. Es wurde meine baldige Entlassung in Aussicht gestellt.

Einer meiner beiden Bettnachbarn war leider in sehr schlechtem Zustand; er hatte starke Schmerzen und einige Organe funktionierten nicht. Ehefrau und Tochter wichen nicht von seiner Seite und sind auf alles gefasst. Tatsächlich blieb das Unvermeidliche nicht aus: er entschlief ruhig am 10. März.
Insgesamt war er schon der vierte Zimmerkamerad, der in meiner Gegenwart das Zeitliche segnete und diskret abtransportiert wurde…

Prof. Sperr kommt um 11h00 zur Visite und bestellt eine Einheit Thrombos (Wert 12); es wird vereinbart, zwei Blutkontrollen wöchentlich durchzuführen (statt wie bisher nur eine). Die Einnahme von mehr als einem Säckchen Magnosolv bei Krämpfen ist unbedenklich. Unser Konzert am 11.3. im Gemischten Satz möge ich ruhig besuchen, tunlichst aber Händeschütteln vermeiden. Auf Grund von Problemen im Ohr wegen einer verlegten Tube ersuche ich um Zuweisung in die HNO Ambulanz; Sperr veranlasst dies umgehend und ich werde dort alsbald vorstellig. Der Hörtest ergibt erwartungsgemäß ein schlechtes Ergebnis; ich möge mir eine Hörhilfe verordnen lassen… die eustachische Röhre („Tube“) sei mit dem mir bereits ausgefolgten Nasenöl und Coldan zu behandeln. Der Facharzt sieht die Gefahr, ich könnte einen Tinnitus bekommen, der nur mittels Cortison vielleicht in den Griff zu bekommen sei; dies schließt sich allerdings auf Grund meiner allgemeinen Konstitution aus.

Die Visite am Samstag 11.3. wird von Frau Prof. Gleixner abgenommen; das Blutbild gefällt ihr, ich bekomme „Heimaturlaub“! Am Montag möge ich mich bis ½ 9 einfinden und werde wahrscheinlich gleich entlassen (meine Annahme ist, dass das taggleiche Schreiben des Arztbriefs wegen des schmalen Personalstandes am Wochenende ein Problem wäre und lieber auf Montag früh verschoben wird).

Um 13h00 holt mich die beste Sissi ab, und wir können uns auf den abendlichen Gig (Mally, Bartosh, Müller) in der Weinbar „Gemischter Satz“ vorbereiten, wo wir uns rechtzeitig einfinden und ein großartiges Konzert in Gesellschaft zahlreicher Freunden erleben!
Nach langer Zeit gibt es wieder einmal LIVE Musik für mich… 😀 

Gegen jede Vernunft sind wir doch selbst mit dem Auto hingefahren; als wir gegen 24h00 daheim ankommen, ist natürlich kein Parkplatz in der Nähe zu finden. Ich lasse Sissi bei der Haustüre aussteigen und fahre auf den äußeren Gürtel, wo am stets geöffneten Würstelstand kein Weg vorbeiführt, weil mich der Heißhunger zu „ana klanan Haßn mit an Siassn und an Bugl“ zwingt. Das dauert natürlich ein bisschen… leider habe ich kein Handy dabei und kann daher die entstehende Verspätung nicht mitteilen.

Als ich die Wohnung betrete, muss ich mir nicht zu Unrecht heftige, lautstarke Vorwürfe der Besorgnis von Sissi und Erik gefallen lassen…  

Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen ist, dass unser Nachbar und lieber Freund Gordon Murray genau um diese Zeit bei einem entsetzlichen Unfall im dritten Bezirk verstorben ist, ein Taxi hat ihn und eine befreundete alte Dame vor den Augen seiner Frau niedergemäht (die Medien haben ausführlich berichtet)…

Fortsetzung folgt im Teil 30

 

 

Das Konzert des 11.3.2017… ein Lichtblick während des für mich nicht so optimal begonnenen Monats!

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