Ruinenentsorgung…
Leider bin ich genetisch nicht bevorteilt, was mein Gebiss betrifft; mangelnde Hygiene in meinen jungen Jahren war nicht gerade förderlich und der Sport leistete auch seinen Beitrag. Die logische Konsequenz war nach und nach der Verlust einzelner Zähne, die durch Prothetik ersetzt wurden, wodurch der Eigenbestand im Verlauf der Jahre immer geringer wurde.
Schon vor vier oder fünf Jahren wurde ich in der Zahnambulanz HERA aufmerksam gemacht, dass drei nebeneinander liegende Zähne im Oberkiefer kaputt und irreparabel seien; ich möge deren Extraktion zustimmen und am besten zu diesem Behufe gleich dableiben. Für mich war die Sache nicht rechtskräftig und ich erbat Bedenkzeit – wer trennt sich schon gerne und freiwillig von alten Weggefährten, zumal diese als Stützen für die sie umgebenden Teilprothesen noch immer gute Dienste leisten. Wenige Tage später wurde ich wieder vorstellig und teilte meine Entscheidung mit, die Ruinen bis auf weiteres behalten zu wollen. Die behandelnde Zahnärztin hatte offenbar keinen guten Tag, knurrte „na, die werden Sie sich bald an einer Leberknödelsuppe ausbeißen“ und ging zur Tagesordnung über, heißt sie ließ meine Weigerung protokollieren und zu den Akten nehmen.
Bei jedem weiteren Besuch in der Ambulanz wurde ich auf die irreparable Schädigung meiner drei Oberkieferruinen neuerlich aufmerksam gemacht, und in der Folge immer größere Verwunderung zum Ausdruck gebracht, dass ich diese noch immer im Mund habe.
Die Tage der Richtigkeit der ärztlichen Prognosen sollten kommen – im Verlauf des Fünfzehner-Jahres musste ich mich von den drei Getreuen verabschieden. Zwar war in keinem der Fälle eine Leberknödelsuppe verantwortlich, sondern sie brachen einfach in Monatsabständen ab und die Wurzeln verblieben im Kiefer, wo sie zu einer potentiellen Entzündungsgefahr wurden. Als mich der Letzte der drei verließ, hatte ich noch keine Ahnung, was Ende Dezember 2015 über mich hereinbrechen und mein Leben um 180° verändern würde.
Der stationäre AKH-Aufenthalt des erste Halbjahr 2016 lang schloss einschlägige Aktivität aus, erst ab Herbst konnte eine Planung ins Auge gefasst werden, wobei alle Zahndoktoren übereinstimmten, sich während einer Chemotherapie nur im Notfall wichtigmachen zu wollen. Nach langem hin und her wurde schlussendlich der 20. Jänner 2017, der Freitag nach Beendigung eines Vidaza-Zyklus, als Termin für die Operation vereinbart. Unbedingt möge ich ab 18.1. ein Antibiotikum einnehmen, und am 19.1. für ausreichend Thrombozyten im Blutbild sorgen, gegebenenfalls im AKH noch um eine Infusion derselben bitten.
All dies geschah, und ich fand mich am 20.1. nach einer unruhigen Nacht um 7h15 in der HERA ein, harrend der Dinge, die auf mich zukommen sollten. Es wurde etwa 10 Uhr, bis man mich ins Zimmer 10/Chirurgie aufrief, wo der Operateur schon auf mich wartete. Der war offenbar bester Laune, scherzte mit seinen Assistentinnen und bat mich, Platz zu nehmen. Der Sessel wurde weit nach hinten gekippt und meine Mundhöhle hell ausgeleuchtet. Der Arzt murmelte Unverständliches zu einer Assistentin, befand, dass das schon eine größere Operation werden würde und bemerkte wie beiläufig, dass auf der gegenüberliegenden Seite des Oberkiefers auch noch ein fauler Zahn stark extraktionsbedürftig sei; ob wir den eventuell auch gleich herausnehmen sollten? Mir war alles egal, ich stimmte sofort zu, auf die Kleinigkeit sollte es jetzt auch nicht mehr ankommen.
Über weitere Details will ich mich nicht verbreitern, nur dass an der ganzen Aktion die Betäubungsspritzen das Unangenehmste waren. „Krochn und Grammln diafns hean, spian diafns nix“, sagte der Doktor noch freundlich, bevor er sich ans Werk machte. Die ganze Geschichte dauerte weniger lang als befürchtet, es wurden ein paar Tampons auf die betroffenen, vernähten Wunden gelegt. Ich möge draußen eine halbe Stunde warten, dann wolle man sich die Blutung ansehen.
Zu seiner Überraschung hatten die Löcher schon zu bluten aufgehört, als ich nach einer dreiviertel Stunde wieder aufgerufen wurde. Es wurde mir noch ein Rezept für ein Schmerzmittel in die Hand gedrückt (Seractil Forte, die Ursache späteren Unbills) und ein Termin für Entfernung der Nähte ausgemacht. Die veränderte Prothese könne ich mir heute noch um 17 Uhr abholen.
Bei der Einlösung des Rezepts schärfte mir die Apothekerin ein, maximal zwei Tabletten pro Tag zu nehmen und dies nur zwei Tage hindurch; der Magen würde sonst rebellieren. Noch am selben Abend schluckte ich das erste Seractil, das gut wirkte, allerdings nur etwa sechs Stunden lang, was zur Folge hatte, dass ich wegen der starken Schmerzen die empfohlene Dosierung unvorsichtiger Weise ziemlich überschritt.
Über die massiven Konsequenzen werde ich in der nächsten Folge berichten.